Wäre es möglich, mehr Flüge über AMTIX-lang zu führen?
AMTIX-lang ist eine bereits bestehende Route, die aber momentan nur in Ausnahmefällen genutzt wird. Nämlich immer dann, wenn Flugzeuge vor dem Start melden, die Höhenvorgabe der Abflugstrecke AMTIX-kurz nicht einhalten zu können. 2017 wurde AMTIX-lang von lediglich 2 % aller über AMTIX geführten Flüge genutzt. Sollte AMTIX-lang planmäßig stärker genutzt werden, müssten hierfür zusätzliche Regeln geschaffen werden.
Eine stärkere Nutzung von AMTIX-lang würde die Kapazität einschränken. Dies hat mit Aufholeffekten und der Übergabe an benachbarte Sektoren zu tun.
Aufholeffekt
Startende Flugzeuge beschleunigen unterschiedlich schnell. Beschleunigt das nachfolgend startende Flugzeug schneller, als das vorausfliegende Flugzeug kommt es zu Aufholeffekten, bei dem das nachfolgende Flugzeug sich dem vorausfliegenden nähert. Je länger die Flugzeuge den gleichen Kurs fliegen, desto größer ist dieser Effekt.
Lotsen kompensieren diese Effekte dadurch, dass sie die Startfreigabe des nachfolgenden Fluges verzögern, so dass eine Gefährdung ausgeschlossen ist. Je länger die Flugzeuge den gleichen Flugweg haben, desto größer wird diese Verzögerung ausfallen. Oder umgekehrt: je kürzer der gemeinsame Flugweg, desto geringer die Verzögerung, die der Lotse einbauen muss.
Alternativen, die zu einem längeren gemeinsamen Flugweg führen, wie etwa die stärkere Nutzung von AMTIX-lang, beeinträchtigen somit die Kapazität.
Übergabe in benachbarten Sektor am Punkt AMTIX
Der Luftraum in Deutschland ist in Sektoren unterteilt. Zwei Fluglotsen sind jeweils für einen bestimmten Sektor zuständig. An der Sektorgrenze übergeben sie die von ihnen überwachten Flugzeuge an den Lotsen des angrenzenden Sektors.
Eine solche Übergabe folgt dabei klaren Regeln.
- Es gibt jeweils einen definierten Punkt an der Sektorgrenze (z.B. AMTIX, das frühere KNG – bei Bad König), den die Flugzeuge, die auf bestimmten Routen fliegen, ansteuern sollen. Damit an diesem Punkt ein Mindest-Abstand zwischen zwei übergebenen Flugzeugen bei der Übergabe von einem Lotsen an den anderen sichergestellt werden kann, muss bereits beim Start ein entsprechender Abstand zwischen zwei Flugzeugen eingehalten werden, die den gleichen Punkt ansteuern.
- Aufgrund von Direktfreigaben kommt es immer wieder vor, dass Maschinen letztlich gar nicht direkt über den Punkt AMTIX fliegen. Das weiß aber der Lotse am Tower beim Start des Flugzeuges nicht. Daher muss er alle Maschinen auf dieser Route so behandeln, als ob sie über den Punkt AMTIX fliegen würden.
- Wenn Flugzeuge aufgrund ihres Gewichts davon ausgehen, dass sie nicht die nötige Höhe über dem Flugplatz Egelsbach erreichen und daher die Route AMTIX-lang nutzen müssen, muss der Lotse anhand des entsprechend längeren Wegs den erforderlichen Abstand am Punkt AMTIX einplanen.
Die Übergabe eines gestarteten Flugzeuges vom Lotsen der Abflugkontrolle an die Lotsen der Streckenkontrolle erfolgt grundsätzlich am Ausflugpunkt (z.B. AMTIX) der jeweiligen Strecke mit einem Mindestabstand von 5 NM (ca. 9 km).
Der erforderliche Mindestabstand muss beim Start durch den Towerlotsen mittels entsprechender Verzögerung (5 NM auf gleicher Abflugroute entspricht knappen 2 Minuten) der Startfreigabe sichergestellt werden. Startet ein schnelleres hinter einem langsameren Flugzeug (siehe „Aufholeffekt“) muss dieser Effekt mit eingeplant und die Verzögerung so vergrößert werden, dass sie bis zur Übergabe an den Streckenlotsen aufrechterhalten werden kann. Der Mindestabstand steigt noch einmal, je länger Flugzeuge einen gemeinsamen Flugweg haben.
Flüge, die für unterschiedliche Sektoren der Streckenkontrolle geplant sind, benötigen jedoch nur einen Abstand von maximal 3 NM (etwa 1 Minute).
Um die Kapazitätsanforderungen zu erfüllen, ist es das Bestreben, möglichst Abflugreihenfolgen zu erreichen, die in unterschiedliche Sektoren fliegen und somit den größtmöglichen Durchsatz zu erreichen.
Aus Lärmschutzgründen ist zu bedenken, dass auf der Linie von AMTIX-lang drei weitere Routen liegen, nämlich MASIR, SOBRA und RID. Dieser Abschnitt der Route ist also bereits intensiv genutzt – wie die folgende Abbildung und das Diagramm zeigen – in etwa in gleichem Maße wie AMTIX-kurz. Verschiebungen würden zu einer erhöhten Lärmbelastung in Büttelborn, Groß-Gerau, Griesheim und Pfungstadt führen. Das sind z.T. Gebiete im Bereich der Hochbetroffenen.
Darüber hinaus zeigen Berechnungen einer Verlagerung aller Heavies auf AMTIX lang, dass eine stärkere Nutzung von AMTIX lang zu einer erhöhten Lärmbelastung im Bereich der Hochbetroffenen (Büttelborn, Griesheim) führen würde. Insgesamt würde die Zahl der Aufwachreaktionen im Bereich der Hochbetroffenen um fast 6.000 von 8.200 auf 14.000 steigen. Eine zusätzliche Belastung Hochbetroffener ist nach den Kriterien des FFR ein Ausschlussgrund in der Maßnahmenprüfung.
Diese Einschätzung würde im Übrigen auch für den Vorschlag gelten, einen Teil der Flugzeuge von AMTIX-kurz auf eine der nach Süden bzw. Südwesten führenden Routen zu verlegen, die dann zu einem späteren Zeitpunkt Richtung Südosten fliegen. Auch wenn eine solche Route Entlastungen in Pfungstadt und Griesheim erwarten ließe, würde dafür die Belastung im Hochbetroffenengebiet deutlich steigen.
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Jährliche Flugbewegungen im Schnitt der letzten drei Jahre |
Davon Heavies[1] |
---|---|---|
AMTIK-kurz |
63.000 |
12.850 |
AMTIX-lang |
1.100 |
750 |
SOBRA-lang |
27.000 |
4.800 |
MASIR-lang |
50 |
50 |
RID |
42.450 |
4.350 |
Kurzabflüge von SOBRA und MASIR (nicht abgebildet) |
1.200 |
500 |
Summe |
134.750 |
23.300 |
Davon auf Südkurs bis hinter Büttelborn |
70.550 |
9.950
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Abflugrouten von der Startbahn West aus
[1] Die Aufteilung nach Gewicht unterscheidet „Light und Medium“, „Heavy 2-motorig“ sowie „Heavy 3-4 motorig plus Super“. Unter Heavies sind die beiden letzten Kategorien subsumiert.