2. Warum verringert man nicht zuerst den Fluglärm?
= neu hinzugekommen
Welche Maßnahmen des Schutzes vor Fluglärm sind schon umgesetzt? Und welche Möglichkeiten gibt es noch, die man umsetzen könnte, bevor man anfängt, den Fluglärm zu verschieben?
Beim aktiven Schallschutz[1] am Standort Frankfurt wurde in der Vergangenheit bereits viel entwickelt und umgesetzt. National und international ist der Flughafen Frankfurt einer der im Schallschutz aktivsten Standorte.
Warum finden derzeit trotz Mediationsnachtflugverbot viele Flugbewegungen nach 23:00 Uhr statt?
Die im Planfeststellungsbeschluss rechtsverbindlich festgelegten Nachtflugbeschränkungen sehen für den Zeitraum von 23:00 bis 23:59 Ausnahmeregelungen für Verspätungen vor, die den Airlines das Recht einräumen, in dieser Stunde noch zu starten oder zu landen. Bei Starts ist dies nur erlaubt, wenn der verspätete Start von der Luftaufsicht des Hessischen Verkehrsministeriums genehmigt wurde.
Könnten leichte Flugzeuge, die nicht die gesamte Länge der Startbahn West zum Abheben benötigen, nicht früher abheben und so die Lärmbelastungen reduzieren?
Grundsätzlich ist es möglich, dass leichte Flugzeuge – soweit sie nicht die gesamte Länge der Startbahn benötigen – früher abheben. Sie tun dies in der Regel auch. Vorschreiben lässt sich dies allerdings nicht. Will man ein verbindliches früheres Abheben erreichen, müsste man die Schwelle der Startbahn versetzen oder diese verkürzen. Das gilt dann aber für alle Flugzeuge gleichermaßen. Da schwerere Flugzeuge aber durchaus die gesamte Startbahn benötigen, ist eine solche Regelung nicht möglich.
Welchen Einfluss hat die Entwicklung und Anwendung neuer Navigationstechnologien / -instrumente auf die Möglichkeit, lärmarme Routen zu fliegen? Sind hier in absehbarer Zeit Innovationen / Durchbrüche zu erwarten?
Schon heute fliegen die gängigen Luftfahrzeuge wesentlich genauer, als dies vorgeschrieben ist, da sie über entsprechende technische Ausrüstung verfügen. Flugrouten müssen jedoch so geplant werden, dass alle an einem Flughafen möglicherweise verkehrenden Luftfahrzeuge in der Lage sind, dort zu navigieren.
Zurzeit sind wirklich moderne Navigationstechnologien (RNAV1, RNP1) aber nicht allgemeinverbindlich vorgeschrieben. Deshalb können diese nicht Grundlage aller Planungen der DFS sein. Dies zu ändern wäre wiederum Sache des Bundes.
Welchen Einfluss auf die Lärmbelastung hat das von der Airline gewählte Startverfahren? / Warum ist der Überfluglärm verursacht durch identische Flugzeugmuster mit gleichen Triebwerken und bei Abflügen mit nahezu gleichen Gewichtsbedingungen ( z.B. Fernostflüge) bei der Lufthansa größer als bei ihren asiatischen Mitbewerbern?
Der Einfluss von Startverfahren auf die Lärmbelastung ist ein komplexes Thema. Kein Startverfahren ist aus Lärmsicht grundsätzlich gut oder schlecht – das hängt im Wesentlichen von der am Standort existierenden Besiedlung ab. Deshalb werden auch im internationalen Vergleich an Flughäfen unterschiedliche Verfahren empfohlen.
Ist es den Airlines überlassen, wie schnell und wie steil sie starten? Welche Geschwindigkeitsbegrenzungen gibt es? Wäre es nicht aus Lärmschutzgründen erforderlich, ein Startverfahren für Frankfurt festzulegen?
Es existieren mehrere Vorgaben bzw. Empfehlungen für Abflugverfahren. Die Fluggesellschaften sind gemäß ihrer Betriebsvorschriften verpflichtet, zwei Startverfahren pro Flugzeugtyp zu beschreiben. Dabei hat die ICAO als Empfehlung zwei lärmmindernde Verfahren zur Reduzierung des Abfluglärms (Noise Abatement Departure Procedures NAPD) veröffentlicht:
Welche Startverfahren werden an anderen Flughäfen angewendet?
An anderen europäischen Flughäfen gibt es eine ganze Reihe von Empfehlungen für ein optimales Startverfahren. Dies reicht von Flachstart über das sogenannte „modified ATA Verfahren“ bis zum Steilstartverfahren.
Es ist nicht sinnvoll ohne nähere Untersuchungen eines dieser Verfahren auf den Flughafen Frankfurt zu übertragen, da das optimale Startverfahren im Hinblick auf Fluglärmminderung maßgeblich durch die Art der Besiedelung im Flughafenumfeld bestimmt wird.
Unterstützt das ExpASS das sogen. „Cutback Verfahren“ der Lufthansa, das durch die frühzeitige Reduktion des Startschubs auf Steigleistung eine Lärmreduktion auch jenseits der Kommunen in direkter Nachbarschaft zur Startbahn suggeriert, wenn danach gleichzeitig in relativ niedriger Höhe die Startklappen eingefahren werden?
Es gibt vom ExpASS weder eine Empfehlung noch eine Ablehnung zu der Frage, welche Verfahren die Airlines anwenden sollen, da es – wie oben beschrieben – für die Frage, welche Startverfahren am lärmärmsten sind, auf die Siedlungsstruktur ankommt.
Kann das schlechtere Einhalten der Minimum Noise Routes in der ersten Kurve auf AMTIX-kurz daran liegen, dass die Geschwindigkeit nur am Anfang der Route begrenzt ist und die Flugzeuge dann zu sehr beschleunigen? Wäre es hilfreich, die Geschwindigkeit auch im weiteren Verlauf zu begrenzen?
Grundsätzlich gilt es hier verschiedenste Einflussfaktoren in einer komplexen Flugphase zu berücksichtigen: Das Flugzeug vollzieht hier laterale wie vertikale Änderungen, ist zusätzlich weiterhin dabei zu beschleunigen und hinzu kommen äußere Faktoren wie die Änderung des Winds etc. Welchen Einfluss die Änderung einer einzelnen Komponente hat ist vor diesem Hintergrund kaum zu beantworten. Auswertungen zeigen aber, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung von den allermeisten Flügen eingehalten wird.
Wie werden An- und Abflugverfahren festgelegt?
Alle Mitglieder des Expertengremiums Aktiver Schallschutz können Ideen vorstellen. Auch die betroffenen Gemeinden arbeiten Vorschläge aus. Die Palette der Ansätze ist breit und reicht von technologischen Lösungen zur Flugzeugumrüstung über eine veränderte Nutzung der Start und Landebahnen bis hin zur Verlegung von Flugrouten.
Jedes neue Flugverfahren wird vor der Genehmigung gründlich geprüft. Das kann weit über ein Jahr dauern. Die Tabelle stellt die formell vorgesehenen standardmäßigen Arbeitsschritte im Einzelnen vor. Weitere Arbeitsschritte, wie die Prüfung im Forum Flughafen und Region (FFR), kommen hinzu.
Welche Abweichungen von vorgegebenen Flugrouten sind zulässig und wie werden mögliche Verdachtsfälle auf rechtswidrige Abweichungen überprüft?
Grundsätzlich muss man sehen, dass Flugzeugrouten sich nicht wie Straßen auf einer festen Fläche bewegen. Flugzeuge bewegen sich im dreidimensionalen Raum, sie unterliegen bei bestimmten Wetterbedingungen und bei der Navigation z.B. beim Bremsen oder bei Kurven anderen Gesetzmäßigkeiten, weil nicht nur Zusammenstöße, sondern auch Abstürze passieren können, die unbedingt vermieden werden müssen.
Wie genau müssen die festgelegten Flugverfahren eingehalten werden?
Die internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO hat verschiedene Standards, nach denen sogenannte Flugerwartungsgebiete definiert sind. Sie dienen letztlich dazu, die Bereiche zu limitieren, in denen sich ein abfliegendes Flugzeug befinden kann, um z.B. An- und Abflüge sicher voneinander zu trennen. Je näher am Flughafen, desto enger ist der Bereich gefasst.
Was sind Direktfreigaben?
Ein Pilot darf in Frankfurt dann vom Standardverfahren in die Richtung seiner Destination abbiegen, wenn er mind. 6.000 Fuß Höhe erreicht hat (bei Jets), bzw. wenn er mind. 3000 Fuß Höhe erreicht hat (bei Propellermaschinen). Flugzeuge, die Kurz- oder Mittelstrecken fliegen, erreichen diese Höhe früher als schwere Langstreckenmaschinen, aber auch innerhalb dieser Kategorien gibt es große Unterschiede je nach Flugzeugtyp und spezifischem Gewicht.
Wird überprüft, ob die Regeln über An- und Abflüge eingehalten werden?
Ja. An dieser Prüfung sind verschiedene Akteure beteiligt. Wenn Flugbewegungen aufgefallen sind, z.B. infolge von Beschwerden, aufgrund außergewöhnlicher Werte an den Messstellen der Fraport oder aus sonstiger Überprüfung, dann wird jeder einzelne Flug überprüft.
Werden systematische Abweichungen überprüft?
Auch wenn keine Rechtsverstöße festgestellt wurden, wird beobachtet, ob sich systematische Abweichungen vom eigentlich vorgesehenen Flugverlauf ergeben, die über die erwartbaren Korridorbreiten hinausgehen. Wenn notwendig, werden Maßnahmen zur besseren Spurtreue ergriffen. Dies erfolgte etwa im Falle der regelmäßig von der vorgesehenen Route auf der Südumfliegung[1] abweichenden B747-800. Hierbei spielen moderne Navigationsverfahren eine wichtige Rolle, die in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen werden.
Im Monitoring eines möglichen Probebetriebs für eine neue Flugroute AMTIX-kurz wird die Auswertung von Flugspuren einen wichtigen Raum einnehmen.
[1] Route TABUM, Starts vom Parallellbahnsystem bei Westbetrieb
Gibt es eine Kompensation für die neu von Lärm Betroffenen?
Eine Kompensation in Form anderer aktiver Schallschutzmaßnahmen ist nicht möglich, da keine entsprechenden umsetzbaren Maßnahmen vorliegen. So ist z.B. eine Entlastung durch Lärmpausen (in Form einer Streuung oder alternierenden Routennutzung) aus Sicherheitsgründen nicht möglich (siehe Fragen unter 4).
Widerspricht die Fluglärmbelastung der Menschen nicht generell den allgemeinen Menschenrechten / dem Grundgesetz?
Der Betrieb des Flughafens Frankfurt erfolgt im dafür vorgesehenen Rechtsrahmen. In Deutschland sind die Regelungen im Luftverkehrsgesetz festgelegt. Auch die im Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm enthaltenen Vorgaben werden am Standort Frankfurt eingehalten. Zuständig ist der Bund als Gesetzgeber.
Gibt es Grenzwerte, die die Airlines zur Lärmminderung einhalten müssen?
Welche Anforderungen Flugzeugtypen im Lärmschutzbereich zu erfüllen haben, regelt die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (International Civil Aviation Organization; „ICAO“) in sog. Lärmkapiteln in Band I (Flugzeuglärm), Teil II des Anhangs 16 (Umweltschutz) des Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt („Chicagoer Abkommen“) („ICAO Anhang 16“). Die EU übernimmt diese Zertifizierungskategorien.
Gilt beim Fluglärmschutz das Verursacherprinzip?
Das Verursacherprinzip gilt für die Kosten, zu deren Erstattung der Flughafenbetreiber z.B. aufgrund des Fluglärmgesetzes verpflichtet ist, also Erstattung von Kosten für baulichen Schallschutz in der Tagschutzzone 1 und der Nachtschutzzone sowie in der Tagschutzzone 1 für Außenwohnbereichsentschädigungen. In der Entgeltordnung sind hierfür sogenannte Schallschutzentgelte vorgesehen, die von den Airlines zu entrichten sind. Auch für bestimmte andere Kosten (z.B. Fluglärmmessungen, zu denen Fraport nach Luftverkehrsgesetz verpflichtet ist oder weitere Angebote der Fraport zur Information von Anwohnern über Ausmaß und Gründe der Lärmbelastung) gilt, dass diese von der Luftverkehrswirtschaft finanziert werden.
Warum sorgt man nicht einfach dafür, dass die Menschen besser vor Fluglärm geschützt sind?
Das Gesetz zum Schutz vor Fluglärm schreibt passiven Schallschutz vor: In besonders stark verlärmten Gebieten muss der Flughafenbetreiber z.B. Schallschutzfenster bezahlen. Wo es zu laut ist, sollen zudem keine Wohnhäuser gebaut werden. Das FFR und die FLK möchten ein höheres Schutzniveau für die Menschen erreichen. Sie arbeiten daher auf freiwilliger Ebene daran, am Standort Frankfurt auch aktive Schallschutzmaßnahmen umzusetzen.
Kann man Fluglärm mit Gegenschall bekämpfen?
Dieses Thema ist im Bereich der Forschung und stellt keine kurzfristig realisierbare Möglichkeit der Lärmminderung dar. Im Rahmen der AG Perspektive setzt sich das ExpASS auch mit diesem Thema auseinander, da es vielversprechende Forschungsergebnisse bei Triebwerken gibt, in denen mittels Druckluft lärmvermeidende Effekte erzielt werden. Deshalb wurde ein Wissenschaftler des DLR zu dem Thema eingeladen, um über den Stand der Forschung zu berichten. Weiterführende Informationen sind unter folgendem Link zu finden:
https://www.dlr.de/dlr/desktopdefault.aspx/tabid-10081/151_read-12869/#/gallery/18779
Kann man Flugzeuge nachträglich mit moderneren Triebwerken ausrüsten? Warum werden nicht ausschließlich modernste Flugzeuge eingesetzt?
Flugzeuge sind sehr teuer und werden daher nur schrittweise durch neue Flugzeuge ersetzt. Deshalb fliegen heute noch Flugzeuge, die 20 Jahre und älter sind. Allerdings werden die Flotten durch den laufenden Austausch mit der Zeit immer moderner, so dass in den kommenden Jahren nur noch die aktuell modernsten Flugzeuge fliegen werden.
Eine Nachrüstung älterer Flugzeuge mit neuen, lärmarmen Triebwerken ist in aller Regel nicht möglich, da sich die Triebwerksgröße und Gewicht stark von den alten Triebwerken unterscheidet. Rumpf, Tragflächen und Triebwerk bedingen sich gegenseitig und sind aufeinander abgestimmt in der Konstruktion. Nachrüstungen sind nur in sehr bedingtem Ausmaß möglich (z.B. Anpassungen an den Triebwerksgondeln).