Streuung oder Bündelung
Überfliegt man einen besiedelten Raum, dann stellt sich grundsätzlich die Frage, ob man – die nachgewiesene Flugsicherheit und die vorhandene Kapazität vorausgesetzt - alle Flugzeuge möglichst über ein und dieselbe (möglichst wenig besiedelte) Route („minimum noise route“) fliegen lässt, oder ob man die Flugzeuge über eine breitere Fläche breit verteilt.
Diese Frage muss jeweils für jede Abflugroute unter verschiedenen Gesichtspunkten einzeln diskutiert werden. Am Standort Frankfurt wird aufgrund der dichten Besiedlung im Nahbereich grundsätzlich der Ansatz verfolgt, die festgesetzte(n) lärmärmste(n) Flugroute(n) länger als an anderen Flughäfen beflogen werden sollte(n). Direktfreigaben abweichend von den lärmärmeren Flugrouten erfolgen deshalb erst ab bestimmten Mindestflughöhen oder aus flugbetrieblichen Gründen (Sicherheit, Sondersituationen, Wetter, …). Werden von vornherein mehrere Äste einer Flugroute festgesetzt, also mehrere „minimum noise routes“ mit dem gleichen Flugziel, die dann beispielsweise im zeitlichen Wechsel beflogen werden, erhöht sich die Anzahl der von den Fluglotsen zu managenden Routen.
Wie genau können bzw. müssen „minimum noise routes“ geflogen werden?
Rechtlich gesehen müssen die Flugzeuge einen bestimmten Korridor rechts und links der vorgegebenen Route einhalten. Im Fall von Gewittern oder anderen sicherheitsrelevanten Ereignissen können sie nach Freigabe durch die Lotsen auch davon noch abweichen. Außerdem dürfen sogenannte Direktfreigaben erteilt werden, also in die gewünschte Flugrichtung abgebogen werden, wenn eine bestimmte Mindestflughöhe erreicht ist.
Technisch hat sich durch neuere Navigationstechniken das Einhalten vorgegebener Routen in den letzten Jahren deutlich verbessert.
Die heutige AMTIX-kurz Route wird in den geraden Streckenabschnitten von den allermeisten Flugzeugen sehr genau eingehalten. In den Kurven ist es etwas schwieriger, die Route einzuhalten
Machbarkeit einer Streuung unter dem Gesichtspunkt Flugsicherheit
Man hat sich für eine Bündelung entschieden, denn alle denkbaren Formen der Streuung (andere Belegung bestehender Flugrouten, Einführung mehrerer „minimum noise routes“ oder eine freie Verteilung der Flüge durch früheres Abdrehen) würden aus Sicht von ExpASS / DFS die Kapazität des Flughafens einschränken und/oder die Komplexität für die Lotsen der Flugsicherung deutlich erhöhen. Letzteres stellt ein Risiko dar, das nicht in Kauf genommen wird.
Von Seiten der Flugsicherung gibt es eine eindeutige Vorgabe: Es werden keine zusätzlichen Flugrouten akzeptiert. Der Grund: Die Komplexität im Tower Frankfurt ist bereits hoch. Man befürchtet, dass bei einer Zunahme der Komplexität das Risiko steigt. Aus Sicherheitsgründen ist die DFS bereits dabei, die Anzahl der Flugrouten zu reduzieren. Sie bezieht sich dabei auf eine Untersuchung der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung von 2011, die eine Reduzierung der Komplexität empfiehlt.[1]
Dies wurde von Experten aus den betroffenen Kommunen kritisch gesehen. Ihrer Aussage zufolge ist – eine entsprechende personelle und technische Ausrüstung von Tower und Flugzeugen vorausgesetzt – eine zeitliche und/oder räumliche Streuung ohne Erhöhung des Risikos möglich. Vorgeschlagen wurden z.B. abwechselnde oder parallele Nutzungen von AMTIX-kurz-alt und AMTIX-kurz-neu (wobei hier auch weitere Untervarianten zusätzlich vorstellbar sind).
[1] Im Bericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) zu einer schweren Störung (Aktenzeichen BFU 5X013-11) heißt es „…. sollten hier doch weitere Maßnahmen zur Entzerrung der Abflug- und Fehlanflugverfahren durchgeführt werden. … „Der erhöhte Koordinationsaufwand zwischen den Lotsen [….] sowie die Organisation des Betriebes der Start- und Landebahnen hat zu der Staffelungsunterschreitung mit Annäherung an die Wirbelschleppe beigetragen.“
Mögliche Lärm-Auswirkungen einer Streuung
Aufgrund der o. g. Sicherheits- und Kapazitätsgründe hat das FFR keine Lärmberechnung mit dem Frankfurter Fluglärmindex für die Streuung durchgeführt. Um dem in der Konsultation geäußerten Wunsch trotzdem nachzukommen, hat das HMWEVL aber orientierende Lärmberechnungen erstellt. Diese zeigen, dass eine Verteilung der auf AMTIX kurz liegenden Flugbewegungen über die Region auf mehrere Routen zu einer Zunahme der Lärmbelastung im Bereich der Hochbetroffenen (v.a. in den Büttelborner Ortsteilen Worfelden und Klein-Gerau), zu einer Abnahme der Belastungen im mittleren Bereich (nördliche Stadtteile Darmstadts) und zu einer Zunahme im unteren Bereich (etwa der Darmstädter Innenstadt) führen würde.